Forschung und Aufarbeitung
Für eine historisch informierte Erinnerungskultur
Die Max-Planck-Gesellschaft hat seit den 1990er-Jahren und bis heute in verschiedenen Forschungsprojekten ihre lange und vielfältige Geschichte kritisch reflektieren und umfassend rekonstruieren lassen. Die Auseinandersetzung mit inzwischen mehr als hundert Jahren Wissenschaftsgeschichte der MPG und ihrer Vorläuferin der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) ist Teil der Unternehmenskultur, zu der eine historisch informierte Erinnerungskultur gehört. Denn der Blick zurück zeigt, dass Wissenschaft stets unter gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen stattfand, zu denen Forschende sich verhalten mussten und müssen. Als deutsche Forschungseinrichtung, deren Wurzeln bis 1911 zurückreichen, ist die MPG Teil der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert und betrachtet das als besondere Verantwortung.
Die geschichtswissenschaftliche Forschung ist für die MPG das Fundament für einen verantwortungsvollen Umgang mit ihrem historischen Erbe. Ihr damaliger Präsident Hubert Markl gab Mitte der 1990er-Jahre nicht nur den Anstoß dafür, sondern wies der MPG damit auch einen neuen Weg für ihre Erinnerungskultur. In deren Zentrum steht die Verpflichtung zur wissenschaftlichen Wahrheit.
Markl machte klar, dass die MPG sich auch in Bezug auf ihre Vergangenheit jenen hohen wissenschaftlichen Standards unterwerfen muss, denen sie als Forschungsorganisation folgt. Dafür stehen seine Worte, „die ehrlichste Art der Entschuldigung ist die Offenlegung der Schuld“, mit denen er sich 2001 anlässlich des Abschlusssymposiums des KWG-Forschungsprogramms gegenüber überlebenden Opfern medizinisch-wissenschaftlicher Versuche im Namen der MPG entschuldigte. Die Ergebnisse der Forschungsprojekte sind Grundlage für eine historisch informierte Erinnerungskultur, die in Public History-Angeboten und an verschiedenen Gedenkorten gepflegt wird. Denn der Blick in die Vergangenheit lehrt, dass wissenschaftliches Erkenntnisinteresse, politisch-gesellschaftliche Forderungen an die Forschung, gesellschaftliche Wertvorstellungen und Ethik mitunter in einem Spannungsfeld stehen. Daraus lässt sich für die Gegenwart lernen.